Katjas Weihnacht

Weihnacht.
(ca. 1984 geschrieben)

Es wurde Winter. Die Leute draußen waren schon in dicke Mäntel gehüllt, sie hatten rote Nasen vor Kälte und hasteten von Geschäft zu Geschäft. Meist mit verkniffenen Gesichtern, überhaupt nicht freundlich, schon gar nicht fröhlich. Warum ist das so? fragte sich Katja verwundert. Es ist doch Adventszeit, und im Advent, so hatte sie in der Kirche gehört, freut man sich doch darauf, dass Weihnachten immer näher rückt und dass das Jesuskind geboren ist … – Warum also waren die Leute so anders?

Katja ging nachdenklich nach Hause. Sie war vor einigen Monaten sieben Jahre alt geworden und war stolz, schon zu den „Großen“ zu gehören. Als I-Männchen wurde sie noch nicht ganz ernst genommen, aber jetzt konnte sie mit Mutti richtig erwachsen reden. Vielleicht wusste sie eine Antwort?

Als Katja in die Wohnung kam, roch es herrlich nach Plätzchen. Ihr Magen fing an zu knurren, je näher sie der Küche kam. Da stand auch Mutti mit einem Backblech in den Händen. Doch was war das? – Auch Mutti sah nicht so fröhlich aus wie sonst … – Vielleicht sollte sie jetzt doch nicht fragen?

Katja stibitzte der Mutti ein paar schon erkaltete Plätzchen und ging auf ihr Zimmer. So langsam wollte sie ihren Wunschzettel schreiben. Es war ja nicht mehr so lange bis Heiligabend … – Wünsche hatte sie ja genug, ihre Freundinnen hatten soooo viele Sachen, von denen Katja bisher nur träumen konnte, die wollte sie alle aufschreiben. Sie legte sich auf ihr Bett, nahm einen Zettel, ihren Füller und träumte von den vielen Sachen, die unterm Weihnachtsbaum liegen würden.

Aber da war noch was anderes … – Warum sah sie Mutti mit genauso verkniffenem Gesicht wie die Leute in der Stadt? Was war der Grund? – War sie nicht artig gewesen, hatte sie die Mutti mit irgendetwas geärgert? – Es war doch alles so friedlich, Katja benahm sich gut, Mutti backte Plätzchen, Vati musste noch arbeiten, aber wenn er nach Hause kam, aß er meist etwas und legte sich dann auf die Couch um sich auszuruhen. Es war doch alles so wie sonst auch! – Na ja, fast: Mutti hatte in der letzten Woche die ganzen Fenster geputzt, Gardinen gewaschen, die Schränke auf Hochglanz poliert, selbst Katjas Zimmer sah wieder wie neu aus. Sie hatte der Mutti versprechen müssen, keine Unordnung mehr zu machen vor Heiligabend. Daran hatte sie sich aber auch bis jetzt gehalten. Ob es daran liegt? – Aber warum machte Mutti sich so viel Arbeit? Es war doch vorher nicht dreckig in der Wohnung, im Gegenteil, Mutti achtete sehr auf Ordnung. Warum also das Ganze?
Katja dachte nach. Auf einmal fühlte sie sich gar nicht mehr so wohl in ihrer Haut. Ob sich Mutti und Vati auch nicht auf Weihnachten freuen? – Sie musste eine Antwort haben.

Katja ging wieder in die Küche. Vati war mittlerweile auch zu Hause, probierte gerade ein paar Plätzchen. Ob das wohl der richtige Zeitpunkt war? – Egal, Katja brauchte eine Antwort auf ihre Frage.

Mutti, Vati, warum sind die Leute und auch ihr gar nicht so fröhlich und glücklich? Es ist doch Advent! Freut Ihr Euch denn gar kein bisschen auf Weihnachten? Warum laufen die Leute so verbiestert durch die Geschäfte? Weihnachten ist doch das Fest der Freude, sagt der Pastor, warum freut sich denn keiner? – Ich verstehe das nicht. Könnt ihr mir das erklären?“

Mutti und Vati schauten sich eine Weile betroffen an. Mutti fasste sich als erste. „Sieh‘ mal“, sagte sie, „Weihnachten ist heutzutage nicht nur ein Fest der Freude, sondern auch ein Fest der Geschenke, ein Fest, zu dem die Verwandten alle kommen und feiern – deswegen muss vorher alles sauber sein. Meinst Du, irgendjemand von unserer Verwandtschaft soll sagen können, die Wohnung wäre unordentlich, das Essen wäre nicht gut gewesen, ich hätte nicht so viel und so gutes Essen gemacht wie z.B. Tante Liesl letztes Jahr? – Zwischen Weihnachten und Neujahr soll man nicht waschen, also muss ich vorher alles fertig haben.“

„Dass die Leute mit schlechter Laune durch die Geschäfte laufen, ist doch auch verständlich. Jedes Jahr werden immer mehr und immer teurere Geschenke gekauft. Die Leute wollen meist gar nicht so viel Geld ausgeben, tun es aber doch, weil sie nicht als Geizhälse dastehen wollen. Und die vielen Muttis und Vatis, die ihren Kindern gerne eine Freude machen wollen, wo es aber mit dem Geld hapert – sie haben ganz einfach zu wenig davon, um große Geschenke machen zu können. Deswegen gucken sie teilweise traurig, teilweise böse, deswegen freuen sie sich noch nicht darüber, dass Weihnachten ist. Verstehst Du das?“ … Katja nickte. Nachdenklich.

Vati fing an zu erzählen. Wie er früher Weihnachten gefeiert hat mit seinen Eltern, mit einem schönen Weihnachtsbaum, mit vielen Kerzen, Vatis Schwester bekam meist ein neues, von der Mutti gestricktes Puppenkleid, Vati selbst bekam oft Wollsocken oder einen neuen Schal, oder Handschuhe. Vor der Bescherung wurde natürlich gesungen, gebetet, es war damals wirklich ein friedliches Fest. Das ganze Haus duftete nach Bratäpfeln und Plätzchen. Vati schwärmte von diesen Weihnachtsfesten. Katja hörte aufmerksam zu.

Später, viel später am Abend schrieb Katja ihren Wunschzettel in ihrer schönsten Schrift.

Wunschzettel
Ich möchte, das alle Leute glücklich sind und das Weinachtsfest frölich feiern. Geschenke möchte ich jetzt dochnicht. Meine FFreundninnen lassen mich ja immer mit iren Sachenspielen, warum sollte ich dann das gleiche bekommen ? Ich wünsche mirso ein Weinachtsfest wie Vati früher hatte. Mutti soll nicht mer so fiel arbeiten, sie soll auch gerne Wein.achten feiern. Wir brauchen auch nich die ganzen Onkelz und Tanten zu besuch. Die können sich doch selber essen machen. Das Jesukint hat damals auch keine Reichthümer gehapt und war fro, geboren zu werden. So können wir doch auch feiern. Ich möchte Schnee zu Weinachten, dann sehn die Lichter und die Beume so schön aus. So fridlich. Ich möchte eine glükliche Mutti und einen glüklichen Vati haben. Ich hoffe das sich alle meine Wünsche erfüllen. fielen Dank im Foraus.

Katja


In dieser Nacht träumte Katja vom Weihnachtsfest – von ihrem ganz speziellen Fest. Es war ein friedlicher Traum. Sie war glücklich.

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